Auf Spurensuche

 

Nichts, aber auch gar nichts erinnert im Westen von Bern daran, dass vor 80 Jahren Rennboliden durch die Häuser und Wälder rasten.

Nichts? Nicht wirklich. Bei genauer Betrachtung zeigen sich Relikte aus fast vergangenen Zeiten.

Man muss schon sehr genau hinschauen, um die Überbleibsel wahr zu nehmen.

Um genauer zu sein, sind sie überschaubar.

 

Machen wir uns nun auf den Weg in den westlichen Teil der Stadt Bern.

Angefangen bei der Start/Ziel Passage, sind die Erinnerungen an den Suisse Grand Prix allgegenwärtig, jedenfalls in meinem Fall aus zahlreichen Bildern und Videos.

Doch heute, was ist geblieben? Ausser der Streckenführung nichts.

 

Dort wo einst die grosse Zuschauertribune stand und begeisternde Zuschauer den Fahrern zujubelten stehen heute ein Industriebetrieb und Neubauten.

Die damalige Pflastersteinstrasse ist längst einer Asphaltschicht gewichen.

Doch mit genügend Vorstellungskraft, lassen sich die donnernden PS-Boliden mit ihren Piloten vorstellen, wie sie mit getöse und Anfeuerungen der 110`000 Zuschauer auf der Haupttribüne, über die Pflastersteine in Richtung Streckenabschnitt „Bethlehem“ rasen.

Des weiteren verläuft die Strecke unter dem nun vorhandenen Weyermannshausviadukt hindurch und entlang eines Fahrradweges. Vorbei am Freibad Weyermannshaus in Richtung Abschnitt Qurray.

 

Der Streckenverlauf ist zwar noch einigermassen ersichtlich, jedoch ist vorerst bei einem Sandverarbeitungsbetrieb Endstation und ich muss mir einen anderen Weg suchen, um zur einst gefürchteten Strecke zu gelangen.

Denn der folgende „S-Abschnitt“ ist komplett verschwunden und musste unter anderem der Autobahn weichen.

Jedoch erscheint mir der wohl am besten erhaltene Streckenabschnitt, runter zur Eymatt.

Nicht mehr im original Zustand, jedoch sehe ich den Streckenverlauf deutlich.

Die Strasse ab der „Passarelle Eichholz“ ist nun zwar viel breiter als damals, jedoch lässt sich erahnen, wie es sich anfühlen musste, mit knapp 250km/h die „Jordanrampe“ runter zu rasen.

 Genau dieser Abschnitt wurde Anchille Varzi 1948 zum Verhängnis.

 Er kam bei regennasser Fahrbahn ins Schleudern und kam von der Strecke ab. Er prallte in einen Baum und wurde von seinem Wagen erschlagen.

Dazu wurden auch noch Zuschauer verletzt, die von herabfallenden Ästen getroffen wurden.

 Dies ist auf meinem „Streckenwalk“ das einzige Überbleibsel, dass an die Ereignisse damals erinnern.

Ein Mahnmal, für einen italienischen Rennfahrer, über 70 Jahre nach seinem Tod.

Noch heute werden Blumen niedergelegt. Ohne Worte.

 

Die Strasse führt weiter nach unten, ein S runter zur Eymatt.

Die heutige, breite Bundesstrasse führt direkt zur Brücke nach Hinterkappelen.

Die Akteure damals bogen links, ins heutige Eymattquartier ab und absolvierten die „Eymatt-Kurve“, eine Rechtskurve.

Damals gesäumt von begeisternden Zuschauern, heute gesäumt von Häusern.

 

Nun sind wir auf dem Teilabschnitt, dass womöglich noch am besten und originalsten vorhanden ist.

Ein breiter Weg führt entlang eines nun vorhandenen Campingplatzes.

Keine Zuschauer die mir zujubeln, als ich dorthin fahre.

Dieser Teil der Bremgartenstrecke ist das aus meiner Sicht beste erhaltene Stück.

Dieser breite Weg führt zur „Eymatt-Kurve 2“, die nach dem tödlichen Unfall von Umberto Tenni, 1950 in „Tenni-Kurve“ umbenannt wurde.

Diese Kurve wurde leider zahlreichen Fahrern zum Verhängnis. So unscheinbar sie heute wirkt, Asphalt statt Kopfsteine, war sie dennoch eine Herausforderung. Besonders für Mototorräder.

Am Kurvenäusseren mache ich mich auf die Suche. Halte Ausschau nach irgendwelchen Hinweisen. Flaniere durch Sträucher, durch Bäume. Doch kein Hinweis, keine Erinnerung an die tragischen Ereignisse, die sich hier vor rund 60 Jahren abgespielt haben. Schade.

 

Der Eingang in den Bremgartenwald. Und etwa 700 Meter der Originalstrecke führen in den Wald hinein.

Meine Streckenbegehung schreitet voran. Gehe diesen Aspahltstreifen entlang bis, ja bis kaum mehr etwas an eine Rennstrecke erinnert. Nicht im entferntesten.

Der Streckenverlauf lässt sich kaum mehr erahnen, jedoch bleibt ab da nichts aus den wilden Rasereien, den Duellen der grossen Fahrer wie Fangio, Farina übrig. Naturweg anstatt Asphalt. Ruhe anstatt Getöse.

Ab der „Wohlenrampe“ ist nur noch in der wilden Fantasie vorstellbar, dass hier jemals eine Rennstrecke war.

Heute ist dort ein Fahrradweg und ein beliebter Weg zum joggen.

Der Weg führt über „Trittingant“ empor zum Glasbrunnen, der gleichnamige Abschnitt der Bremgarten-Rennstrecke.

Ab da ist Schluss mit der Streckenbegehung. Endgültig. Ende aus.

Denn der eigentliche Verlauf dieser wunderbaren Strecke wird durch die Autobahn und der Ausfahrt Forsthaus jäh unterbrochen.

 

Es lässt sich leider nur noch im geringsten erahnen, wie die Rennfahrer aus dem Bremgartenwald gerast kamen und auf die „Forsthaus“-Kurve zusteuerten, diese auf der Idealline durchquerten, um das Tempo mit auf die rund einen Kilometer lange geschwungene Gerade in Richtung Start / Ziel Passage zu nehmen.

 Mit Vollgas in Richtung Zielflagge.

 Und dort ist auch das Ende erreicht, einmal um die Bremgarten-Rennstrecke.

Ein Streckenwalk der besonderen Art geht dort zu Ende, wo er angefangen hat, beim Start / Ziel Bereich anno irgendwo zwischen 1931 und 1954.

 

Fazit

Leider muss ich feststelllen, dass praktisch nichts mehr daran erinnert, dass diese gefährliche Strecke, die von vielen Piloten gefürchtet war, eine der Strecken zu jener Zeit war, die ein grosses Ansehen in der Welt hatte.

Die Bremgartenstrecke in Bern war das Mekka für den internationalen Motorsport. Ich finde es schade, erkennt man dies nicht mehr.

Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Wie auch das Ansehen in der Bevölkerung.

Wie musste sich das damals angefühlt haben, jedes Jahr ein solches Event mitten in Bern – ohne Einsprachen, ohne Demostrationen, man nahm es so hin.

Eine ganze Woche Verkehrsbehinderungen für die Anwohner aufgrund der Trainings, Qualifikationen und Rennen.

Man empfang die tolkünen Rennfahrer mit offenen Armen und war froh, einen solch grossen Anlass, in die Welt hinaus zu präsentieren.

Bis zu 110`000 Zuschauer bei fast jeder Austragung bedeutete zur damaligen Zeit, dass der GP Schweiz auf der Bremgarten Rennstrecke einer der erfolgreichsten Events in ganz Europa war.

 

Doch wäre es der Geschichte würdig, diesem dazumal traditionellen Anlass mehr zu würdigen, als ein Stein als Denkmal in Bern-Brünnen.

Meiner Meinung nach, wird gar nicht erst versucht, daran zu erinnern.

Ausser einer mehrmonatigen Austellung im historischen Museeum vor zwei Jahren.

Dieser Anlass gehört eigentlich zur Geschichte von Bern und hat von den 30ern bis Mitte der 50er zu einem der grössten Anlässe Europaweit gezählt.

Zeit vergeht. Erinnerungen bleiben. Auch wenn sie in meinem Fall nur aus Videos und Fotos bestehen, möchte ich die Geschichte der Bremgartenrennstrecke erhalten.

Menschenmassen nur Zentimeter neben der Fahrbahn. Heuballen als Sturzschutz, Holzzäune, die als "Streckensicherung" dienten.

Wie gerne würde ich eine Zeitreise tätigen, die mich 70 Jahre zurück bringt, dass ich diese Atmosphäre von damals einsaugen könnte.